[1973]



1973 fanden in Berlin die "Weltfestspiele der Jugend & Studenten" statt. Vermutlich interessiert das heutzutage keine Sau mehr und auch mich hat es selbst damals nicht sonderlich beeindruckt - schließlich war ich kein Student und um als Jugend zu gelten, war ich angeblich noch zu klein. Es ist immerhin denkbar, daß selbst Dinge, die mich 1973 durchaus beeindruckt haben, heute keine Sau mehr interessieren.
Darum will ich es ein bißchen dramatisieren und behaupte, daß es sich bei der nachfolgend geschilderten Begebenheit um meine allererste bewußte Erinnerung überhaupt handelt.

1973 also reisten nicht nur allerhand hoffnungsfrohe jugendliche Studenten nach Berlin, sondern auch meine Eltern mit mir nach Frankfurt (Oder) zu irgendwelchen Bekannten. Diese Bekannten hatten ein hübsches Haus mit einer Wiese drumherum und einer ungefähr eineinhalb Meter über dieser angebrachten Eingangstür. Zudem hatten sie eine Tochter in meinem Alter. Das Haus hatte eine - selbstverständlich durch eine Brüstung gesicherte - Treppe, die von der Wiese zur Tür führte.
Die Tochter hatte auch was. Jedenfalls muß mir das damals so vorgekommen sein, denn ich pflückte ihr auf besagter Wiese ein wunderhübsches Sträußchen Gänschenblümchen, stapfte damit - fast so hoffnungsfroh wie die studentische Jugend nach Berlin - die eineinhalb Meter Treppe hinauf, von deren oberem Ende aus sie mein Treiben bis dahin mäßig interessiert beäugt hatte, und kredenzte ihr das Bukett.

Meine damalige Motivationslage jener Kleinstbürgerin gegenüber ist mir heute unklar. Gewiß hatte ich nicht vor, sie zu schänden. Doch - davon nicht überzeugt oder aber enttäuscht - riß sie mir den freundlich&stolz dargebotenen Strauß aus der Hand und beförderte ihn unter Murmelung schnippischer Phrasen achtlos über die Brüstung zurück auf den Rasen. Klein marvinius sprang natürlich mit der ganzen Mannhaftigkeit eines dreijährigen Ritters der Tafelrunde hinterdrein und erntete etliche Platzwunden nebst einigen möglicherweise nicht ganz altersgerechten Überzeugungen hinsichtlich der Notwendigkeit, sich mit Frauenzimmern einzulassen.