[2000]


[Januar]


Silvester war nicht schlecht.
Wie wohl schon zu vermuten stand, bin ich trotz galoppierender Wehmut und zerrender Sehnsucht zu Silvester nicht nach Mexico gereist, sondern habe im Kreis von vier lärmabgeneigten Zahnärzten und einer Lehrerin nicht nur die Silvesternacht, sondern gleich das ganze Wochenende verbracht. Zwischendurch eine kurze Wanderung zur Seebrücke in Heiligendamm, ein Besuch bei "Käptn Blaubär - der Film" (wird Dir vielleicht albern vorkommen, hat aber viel Spaß gemacht!) und ansonsten: essen, trinken, faulenzen. Dauernd könnte ich das nicht haben, aber mal so zwischendurch ist es schon ganz gut.

Ja, und dann war plötzlich Januar.
Daß alle Jahre wieder mit Januar beginnen, halte ich - als jemand, dem es im Januar immer irgendwie seltsam geht - auch für eine dringend überarbeitungsbedürftige Erfindung, aber auf mich hört ja wieder keiner ... Freilich erinnere ich jenen Januar, den des Jahres 2000 nämlich, als einen, dessen Verflossensein - aber doch auch dessen Verfließen - ich einen Mangel an Spannung, Spaß und Spiel nicht vorzuwerfen habe.
Dadurch hat sich der Januar als solcher bei mir von einer klaren Verdammung auf eine immer noch recht skeptische Verurteilung zur Bewährung hocharbeiten können ...
... als ich nämlich zu jener Zeit mit weiteren Freunden zusammen um 0.00 Uhr seines Geburtstages meinen damals schon "Verflossenen" (der, obschon im Januar geboren, diesem insofern völlig unähnlich ist, als das Verflossensein hierbei zwar auf mich zurückgeht, aber keinen von uns erfreut hat, wahrscheinlich nichtmal den Januar, der's mitansehen mußte 2 Jahre zuvor) mit Wein, Weib und Gesang (ja, eine Frau war auch dabei) heimsuchte, wurde ich von der anwesenden Meute gezwungen, anschließend noch mit auf eine Disco-Veranstaltung zu kommen, was ich sonst ja fast immer (d.h. immer - bis auf endlich viele Ausnahmen ;-) ablehne. Alldort hatte ich mich nach kurzem Herumhüpfen mit einem überraschend getroffenen alten jugendlichen Bekannten, dem es nichts ausmacht, daß ich die Coolness- und Bewegungsarmutskonvention, die gebietet, beim Tanzen mit wichtiger Miene bedachtsam Sauerkraut zu stampfen, nicht ratifiziert habe, im wesentlichen auf eine vertrauliche Runde mit Johannes Wanderer* zu beiderseitig interessierenden Fragen eingerichtet, [schon wieder 'n Komma - weißt Du noch, wo der Satz angefangen hat?] während ich so, an einen Heizkörper [nicht was Du denkst - Stadtwerke!] gelehnt, einem reizenden Paar aus einer, wie ich inzwischen weiß, sehr sympathischen und überdies lesbischen jungen Dame und einem, wie ich inzwischen ebenfalls weiß, sehr sympathischen und keineswegs lesbischen jungen Mann bei allerhand auch nicht ganz konventionellen, dafür höchst anmutigen Bewegungen auf der Tanzfläche zuschaute. [Punkt!!!] Plötzlich schickte dann der erwähnte sehr sympathische junge Mann** die ebenfalls erwähntermaßen sehr sympathische junge Dame irgendwohin und kam zu mir.

Es folgten: eine wahnsinnig aufregende Zehntelsekunde des beiderseitigen Eben-Nicht-Zögerns, ein laaanger Kuß ... und dann noch fünf Jahre ... das war größtenteils eine schöne Zeit ...

Bei den ersten beiden Sachen stand mein auch schon erwähnter und übrigens ebenfalls sehr sympathischer "Verflossener" daneben, der immer noch Geburtstag hatte. Er ging dann allerdings bald und die tuschelnde Verwandtschaft begann umgehend zu hecheln. Noch am selben Morgen fand ich bitterböse Anrufe von Berliner Bekannten auf meinem Anrufbeantworter. Das zum Thema Seifenoper.

Jedenfalls kann ich nicht umhin zuzugeben, daß mir da etwas höchst seltsames und seltenes passiert ist: ich habe mich tatsächlich verliebt. Entgegen allen nicht anlaßlos gefaßten Grundsätzen: "Nie wieder Teenies! Nie wieder Handwerker!" Er heißt Frank, ist mittlerweile 24 und Friseur. Und es ist sooooo schön ... -

Eine der dramatischsten Folgen war, daß ich seither lange Zeit ganz gegen meine Gewohnheiten nahezu täglich zwischen 5 und 6 Uhr (morgens!!!) geweckt wurde, weil mein werter Verlobter um diese Zeit zur Arbeit mußte und ich - einmal vom Wecker und dem umgehend durch jeden sich öffnenden Türspalt stürmenden Bonsai-Tiger aufgeschreckt - einfach nicht mehr weiterschlafen konnte!

Andrerseits hat das Six-O'Clock-Starten auch seine Reize ... nicht nur anhand der selbst einer morgendlich-müden Phantasie bereits zugänglichen Einladung zu milder Vokalverschiebung, die von dem Wort ausgeht. Nein, ich meine den Gewinn an Lebensqualität, den ich mir dann einige Zeit lang Montag, Mittwoch und Freitag dadurch sicherte, daß ich um 06.30 Uhr in der benachbarten Schwimmhalle meinen durchaus bewegungsfreudigen Leib den in dieser Hinsicht verständnisvollen und sonst einigermaßen gebändigten Wellen anvertraute. Überdies - es würde auffallen, unterließe ich eine entsprechende Bemerkung, trüge mir am Ende den Vorwurf der Unaufrichtigkeit ein, welchselben gegen die Immer-Nur-An-Das-Eine-Denken-Unterstellung abzuwägen mir hier nicht schwerfallen kann - überdies also tummeln sich dort auch immer ein paar andere Leiber, denen man trotz jugendlicher Frische die segensreiche Wirkung langjährigen Tummelns in erfreulichster Weise ansieht.
So.
Schön, was? -


* Schlechter Whisky mit Kultstatus.

** Von dem ich damals ja noch nicht ahnen konnte, daß er es unter  anderem darauf abgesehen hatte, ein rasendes Knäuel aus Krallen, Pelz &  treuen Augen in meiner Wohnung anzusiedeln, das seinen Namen "Theo" auch  schon mal dahingehend deutet, daß es für Sintfluten&Erdbeben zuständig  sei!