*stapf* *stapf* *stapf* ... Oh, ein Schaukelstuhl im Kaminzimmer!
*plumps* *seufz*
*kraminmanteltaschen* Ah, die Zigarillos! Bin ja eigentlich
Nichtraucher, jedenfalls fast, aber ab&zu so ein würziges Teil
mag ich doch ... Hm ... irgendwas fehlt ... ah ja!
*ächz* Sollte mal nachsehen, was der Weinkeller so hergibt ...
*stapf* *stapf* *stapf* *seliglächel* *stapf*
*plumpsinschaukelstuhl*
'93er Chateau Bel Air, na ja, schon nicht schlecht ...
Salut liebe Internetseitenleser!
Momentan bin ich ziemlich erschöpft, weil ich grad aus Mexico von
einer etwas verlängerten Dienstreise zurückgekommen bin ...
aber schön war's :-) Ihr ahnt es, eine Mathematiker-Konferenz war
es gewesen, die mich dorthin verschlagen hatte, und selbstverfreilich
bin ich gar nicht böse drum - ich mag Mexico. ("Nice country, nice
people!", wie ich mir auf die allgegenwärtige Frage nahezu aller
Mexicaner zu antworten angewöhnt habe, mit denen man so ins
Gespräch kommt - woraufhin sie regelmäßig
glücklich strahlen und es mir nachsehen, daß ich immer noch
kein Spanisch spreche ... jedenfalls nix außer den absolut
lebenswichtigen Wendungen: "una cerveza por favore", "gracias", "buenos
dias", "ti amo".)
Tja, was wären wir ohne Konferenz-Tourismus?
Vermutlich ebenfalls Opfer der lächerlichen Distinktion
europäischer Urlauber in ballermannverdächtige
Pauschaltouristen, die von den heimgesuchten Ländern allenfalls
ihre jeweiligen Hotelbars kennenlernen, und superbewußte
Ethnofuzzis, für die die Erfindung der Gabel den Anfang vom Ende
ursprünglicher Ganzheitlichkeit markiert.
Oder was?
Alles in schönster Reinform zu besichtigen, wenn man z.B. auf dem
Flughafen "Benito Juarez" in Mexico City ein paar Stunden auf seinen
Flug nach Hamsterdam wartet und die letzten Peseten gerade in
erfreulich belebende körpereigene Substanzen umwandelt.
Nun, zu diesen Sorten gehören wir natürlich nicht. Dank der
gütigen Mutter Wissenschaft müssen wir uns nicht dem Verdacht
aussetzen, nur wegzufahren, damit die Nachbarn daheim nicht sehen, WIE
viel wir wirklich saufen bzw. daß wir von der griechischen Antike
bis zur Aufklärung und Moderne so ziemlich alles verschlafen
haben, weil man uns beim Verlassen des Neandertals nicht geweckt, aber
zum Ausgleich mit allerhand esoterischen Modephilosophien vollgestopft
hat. Nein, wir haben das Privileg, uns einen Grund für unseren
Aufenthalt an diesem oder jenem Ende der Welt und eine
Beschäftigung dortselbst nicht erst suchen oder von gierigen
Reiseveranstaltern aufschwatzen lassen zu müssen. Wir werden dort,
wo wir hinfahren, gebraucht und unsre Gründe sind fast automatisch
wichtig. Ganz en passant können wir uns dann unbehelligt die Birne
zukippen oder tatsächlich
dies&das über ein Land erfahren.
Also über seine Menschen.
Was nicht funktionieren würde, wenn wir sie - als Pauschaltourist
oder asketischer Wanderer - besichtigen
wollten, sondern nur deswegen klappt, weil wir im Alltag auf sie
zugehen; denn eine Konferenz ist Arbeit und Arbeit ist Alltag. Man
begegnet einander gleich ganz anders, wenn einmal klargestellt ist,
daß man nicht zum Land&Leute-Begucken hergekommen ist, was
immer sowas wie ein Nashorn-Zoobesucher-Verhältnis durchschimmern
läßt.
Hm. Alltag. Immerhin - dort in Mexico ereilten mich die täglichen
Plagen eines ziemlich berufstätigen Mitteleuropäers nicht so
mit voller Wucht, was dazu führte, daß tatsächlich
Muße (und das ist eben nicht nur Zeit!) zu allerlei
Überlegungen und Erquickungen blieb. ... -
Dabei ließ der Hinflug durchaus nichts gutes erwarten.
- Beim letzten Mal war ja schon die Reise abenteuerlich, als ich
im Flugzeug den einzigen Holländer traf, der nicht deutsch spricht, dafür
ein sehr sympathisches Naturell und ein durchaus sehenswertes
Äußeres mitbrachte. Mußte ich also Zuflucht in meinem
für fachliche Artikel ganz brauchbaren, mit Konversation aber
regelmäßig überforderten Englisch suchen: "Don't
believe me, if I say, I love you - this means, I like your body and
your smile. Don't believe me, if I say, I love you not - this means, I
do and I'm afraid, you wouldn't believe me, if I say." jedenfalls war's
ein lustiger Flug, besonders als wir über dem Atlantik in
Turbulenzen gerieten und die AirFrance-Besatzung beschloß, alle
Champagner- und Rotweinvorräte zur Beruhigung an die Gäste zu
verfüttern. Mit Erfolg. -
Lustig war's diesmal nicht so, aber abenteuerlich - für mich
jedenfalls. Abenteuer Gesellschaft. Abenteuer Konversation. Ein
offenbar neckisch gelauntes Schicksal hatte mich zwischen lauter
deutschsprachigen Mitreisenden eingekeilt und dabei mit boshafter
Berechnung links neben mir den vermutlich schwatzhaftesten Opa der Welt
placiert. Und das für 11.5 Stunden! Zwischenzeitlich mußte
ich mich über den - sicherlich gut gemeinten - Rettungsversuch
meiner rechten Nachbarin freuen, die unbedingt mit mir "Schiffe
versenken" spielen wollte. Dabei wollte ich einfach nur schlafen! Das
wußte aber der Greis zu verhindern, dem es nichts ausmachte, wenn
ich zwischendurch die Augen schloß und dessen Gequassel ein
Abgleiten in die sanfteren Sphären anmutiger Träumerei
gekonnt verhinderte.
Schon deshalb hatte Mexico einen Haufen Pluspunkte bei mir, als es sich
endlich unter uns einfand und so der Tortur ein Ende setzte. Ehrlich
gesagt, hätte ich mich in dem Moment aber genauso über
Grönland, Reddelich oder eine Flugzeugentführung gefreut.
Mexico ist natürlich besser.
Nachdem ich dann einen Taxifahrer am Flughafen damit erschreckt hatte,
daß ich ungefähr wußte, wie teuer eine Fahrt ins
Zentrum ist und wie teuer eben nicht, hat mich ein anderer erfreulich
zielsicher in ein Hotel gebracht, das sich sogar an meine faksimilierte
Reservierung erinnern konnte. Zimmer geentert, Badewanne ausprobiert -
und es war immer noch früher Abend! Als wissenschaftlich denkender
Mensch habe ich also eine Disco-Bar aufgesucht. Eine, die ich noch vom
vorigen Mal kannte und die ich nett gefunden hatte. War noch da, war
noch nett. Sowas macht mich ja normalerweise mißtrauisch, wenn
alles wie geplant klappt. Meist kommt dann irgendein dickes Ende. Je
später, desto dicker. Bislang - und ich bin inzwischen wieder in
Europa! - hat es sich aber noch nicht blicken lassen ... wenn man
vielleicht davon absieht, daß ich nach 2 Tagen Herumgestromere in
der amtlich angeblich größten (und nach meiner
maßgeblichen Meinung jedenfalls schönsten) Stadt der Welt
und einer landschaftlich reizvollen Busfahrt dann in Morelia/Michoacan
anlangte und dort bemerkte, daß ich nicht mehr wußte, wie
das Hotel heißt, dem ich mein Erscheinen via Internet
angekündigt hatte und in dem also mein roter Teppich ausgerollt
auf mich wartete. Es stellte sich zudem heraus, daß alle
Unterlagen, die hierüber hätten Auskunft geben können,
launischerweise nicht mitgekommen waren, sondern es vorzogen, meinen
heimatlichen Schreibtisch zu verzieren. Nun gibt es in Morelia nur
einige hundert Hotels, die Aufgabe war also finiter Natur und sollte
einen Topologen nicht schrecken. Hat sie aber zunächst - dennoch
hab ich mein Domizil nach ca. 1.5 Stunden bezogen, und es war das
bestellte! Wie das ging, verrate ich vielleicht später mal. ... -
Na ja, dann also conference-check-in, allerlei Reden über die
Rolle der Bedeutung als Grundlage aller Fundamente, people-seeing,
Blasmusik (wirklich!) und ein bißchen Rotwein. Daß es ein
interessanter Abend wurde, lag dann daran, daß ich mich erstmals ein bißchen persönlich mit einem der Großen Alten der
Topologie unterhalten konnte, der ein sehr sympathischer,
bescheidener sowie selbstverfreilich kluger alter Herr ist.
Außerdem habe ich mich schon am ersten Abend mit einem
Grüppchen Touristikstudentinnen und -studenten angefreundet, die
im Rahmen irgendeines Praktikums zum "conference-staff" gehörten
und dafür zuständig waren, die Konferenz-Mappen unter die
Leute sowie die Beiträge in die Kasse zu bringen. Die fanden es
wohl ganz spannend, daß ich nicht gar so alt&bärtig
daherkam wie die meisten anderen, während ich es ganz spannend
fand, daß sie sich mit mir während der gesamten vier
Konferenztage nicht über Mathematik unterhalten wollten, wie die
meisten anderen. Überdies konnten sie nicht besser englisch als
ich, dafür ein bißchen französisch.
Ja, Konferenz also. Einige wirklich bildende und einige wirklich
interessante Vorträge. Meiner war gleich am ersten Vormittag
angesetzt und es hat sich wiedermal gezeigt, daß die Mexicaner
ein wirklich höfliches Volk sind, was offenbar auch auf
durchreisende Mathematiker abfärbt, denn sie haben alle brav
applaudiert.
Plötzlich war auch der Kloß im Hals weg.
Dann konnte ich mich endlich Mexico widmen ... wo ich sogar ein
Internetcafé fand (glaubt nicht, daß es auf einer
Mathematikerkonferenz einen Netzzugang gäbe!), so daß ich
hin&wieder eine mail nach Hause schreiben, bzw. nachlesen konnte,
wie sehr mich mein Verlobter schon vermißt, was man
natürlich gern vernimmt. Erwähnt habe ich das
Internetcafé allerdings vornehmlich deshalb, weil mir dort schon
bei meinem zweiten Besuch etwas Lustiges widerfahren ist: es traf eine
mail ein, die mich ausdrücklich in Morelia begrüßte und
darüber hinaus erklärte, daß ich schöne Augen
hätte, sowie heimliche Bewunderer! Das vernimmt man natürlich
auch gern. Gleichwohl kann man sich wohl mein Erstaunen vorstellen,
wenn man zusätzlich erfährt, daß diese mail auf meiner
privat-adresse eintraf, die in Morelia eigentlich niemand kennen
konnte! Und der Absender war sich zwar offensichtlich nicht
bewußt, daß sein Name im header mit übertragen wurde,
allerdings sagte mir dieser Name nun gleich überhaupt nichts!
Natürlich habe ich erstmal geantwortet und dabei so getan, als
ahnte ich, wer dahintersteckt ... zunächst hatte ich ja mein
Touristikstudentinnengrüppchen in Verdacht, die natürlich an
die Konferenzunterlagen herangekommen sein könnten, aber dort -
ich habe das überprüft - lag nur meine Dienstadresse vor. Nun
gut, wie das ausging, erzähle ich vielleicht auch mal später
;-)
Hm ... jetzt hab ich schon ganz schön viele Buchstaben eingetippt
... und mit einem Reisebericht noch nichtmal wirklich angefangen ...
Wahrscheinlich sollte ich jetzt irgendwas Geistvolles schreiben, aber
mir fällt immer nur ein, von Mexico zu schwärmen. Vielleicht
sollte ich auch einfach ein bißchen ausruhen, einen Rotwein
trinken, ein Zigarillo rauchen und Euch mit Schwärmereien nicht
behelligen? Ja, wird wohl besser sein ... nur so viel: Mexico ist
wunderschön! Es ist so viel wärmer als Deutschland. Nicht nur
das Wetter, auch die Menschen - und das versteht Ihr jetzt bitte, bitte
nicht als erotische
Anspielung. (Es ist nämlich so, daß ich - keineswegs
ungeachtet, aber trotz der wirklich vielen wirklich schönen
Menschen dort um mich herum - gar keine Lust auf amouröse
Abenteuer hatte, sondern meinen Verlobten vermißte. Komisch, was?
Muß wohl Liebe sein ... )
Schön ist aber auch, das Funkeln im Glas zu beobachten, wenn man's
hoch und ins Licht des Kaminfeuers hält ...