Damit Du Dich in Deinem kafkaesken
Internet-Dasein nicht so allein und trostlos fühlst, will ich Dir
immerhin mitteilen, daß auch das sogenannte richtig wirklich und
eigentlich "reale" Leben in Europa Skurrilitäten und
Unerquicklichkeiten für seine Opfer bereithält, gern auch mal
in Kombination. ... mir ist zum Beispiel ein Teil meiner
CD-Sammlung ertrunken.
Im Automobil!
In der Garage!
Nachdem ich neulich (na gut, es war kurz vor'm Wintereinbruch)
eines Freitagabends aus Greifswald von einem Filmfest nebst Party
zurückkehrte (Oh, wäre ich bloß den Einladungen
der Veranstalter, doch noch zum Frühstück zu bleiben,
gefolgt!) fand ich, ich sollte das treue Gefährt, das mich dorthin
und auch wohlbehalten zurückgebracht hatte, entgegen meinen
Gewohnheiten lieber in die Garage stellen, weil's ja draußen
schon manchmal fror und da drin stünde es schließlich
warm&trocken ... Am nächsten Morgen dann wollte ich vom
benachbarten Bäcker ein paar Brötchen zum Frühstück
holen - noch vor dem Morgenkaffee, also eigentlich gar nicht wach.
Das ist ja schließlich auch eine der Tätigkeiten, die
getrost das Rückenmark übernehmen kann, während das
Großhirn gaaanz langsam bootet ... umso größer das
Erstaunen, wenn ein so simpler und vollmechanisierter Ablauf
plötzlich&unerwartet nicht
funktioniert - weil ich keinen Schritt vor die Tür setzen konnte,
ohne in einen etwa halbmetertiefen See zu fallen, der sich aus in jenem
Moment für mich noch nicht klar ersichtlichen Gründen dort
eingefunden hatte und nun herumlag, als müsse das so sein.
"Fehlen nur noch ein paar Enten auf'm Teich, damits so richtig kitschig
wird", war so ziemlich das erste, was mir dazu einfiel. Allerdings
waren die Enten wohl anderswo beschäftigt oder hatten jedenfalls
keine Zeit, vor meiner Haustür kitschig herumzuschwimmen.
Stattdessen traten Nachbarn herzu und wollten wissen, ob mein Auto in
der (gegenüber der Straße immerhin nochmal einen halben
Meter abgesenkten) Garage stünde ... Außerdem rüttelte
nun mein verdutztes Rückenmark an der Großhirnrinde herum,
quengelte und wollte wissen, was zu tun sei - woraufhin die Chefetage
befand, daß ein Hungerstreik meinerseits die Sintflut vermutlich
nicht aufhalten würde, somit die Brötchenbeschaffung
weiterhin höchste Priorität genieße und lediglich ein
Umweg über den Hinterhof und diverse Zäune zu nehmen sei.
Im Ergebnis waren dann die Brötchen lecker, das Auto ein
melancholisch aufgeladener Schrotthaufen und eine ganze Reihe CD's
unbrauchbar ... ach ja, das war's eigentlich, weswegen ich darauf
gekommen bin, die Geschichte zu erzählen ... verantwortlich
gewesen ist dafür übrigens ein Eurawasser-Rohrbruch, der es
immerhin bis in die lokalen Schlagzeilen brachte, weil ihm auch eine
Straßenbahn zum Opfer fiel, deren Schienen unterspült worden
waren.
Wollen wir daraus lernen, daß Popularität eher durch sehr
destruktive Betätigung als durch innere Einkehr und
Friedfertigkeit zu erzielen ist?
Nein, von WOLLEN kann keine Rede sein, aber ... es ist ja nicht das
einzige Beispiel: ein paar mutmaßliche Muselmänner machen
symbolträchtige Wolkenkratzer kaputt und kommen in so ziemlich
jedes Fernsehen der Welt, RTL zerstört die geschmacklichen
Entwicklungsmöglichkeiten heranwachsender Generationen
vorsätzlich und nachhaltig mittels in nahezu jeder
ästhetischen Hinsicht völlig insuffizienter
Überaffirmationsopferverbände, die so zumindest zeitweise
relativ bekannt werden, eine Armee verwüstet Vietnam und wird
fortan als der eigentliche Garant von
Freiheitunddemokratieundmenschenrechten gepriesen, Erwerbsarbeit
zermürbt die Empfindungsfähigkeit der Menschen und wird
dafür regelmäßig zur Kundesbanzler-Chefsache
erklärt ... -
Und ein freundlicher mitteleuropäischer Internetseitenleser wie
Du, der vielleicht manchmal romantische Liedchen pfeift,
bedürftigen Abiturienten die Wonnen deutscher Dichtung nahebringt
und immer mal wieder nach alten Freunden fragt?
Wird der vielleicht zur Chefsache erklärt? Zum Garanten für
Freiheit oder wenigstens schöne Gartenmöbel?
Zum Popstar?
Wahrscheinlich kommt er noch nichtmal ins Fernsehen ... nein, er
wäre ja selbst einem an solchen Menschen durchaus interessierten
Unwesen wie mir kaum je bekannt geworden, hätte er die Sache nicht
selbst in die Hand genommen und eine behaglich formulierte Elektropost
an mich versandt! Genau das wird er aber tun - und daran sehen wir,
daß die Weltgeschichte, die alte Zicke, manchmal auch eine
erfreuliche Wendung bereithält :-)
Weitere Meldungen: Weihnachten, Neujahr, der übliche entsetzliche
Trubel, im letzten Semester hab ich meine Übungskonzeption
für die Maschinenbaustudenten komplett umgestellt - in der
Hoffnung, so den Prozentsatz der Sitzenbleiber von bislang ca. 50
Prozent ein bißchen senken zu können: Fehlanzeige! Die Quote
blieb exakt auf dem Niveau der Vorjahre (auch vor meiner Anwesenheit am
FBI, sonst käme ich ernstlich ins Grübeln), doch war - anders
als je zuvor - eine sehr drastische Aufspaltung der Häschenherde
in eine vergleichsweise große Gruppe frohgemuter
Führungshäschen mit bombastischen Punktzahlen, eine ebenso
große Gruppe nahezu völlig blinder Hühner (Über
die Umwandlung vom Häschen zum Huhn oder zur Schnepfe könnte
vielleicht mal ein "Echt Bio"-Biologe promovieren!) und ein eher
schmales Mittelfeld zu verzeichnen. Und nun frage ich mich, ob ich das
toll oder wenigstens besser finden soll als zuvor das breite
Mittelfeld, die schmale Avantgarde und das etwa gleichgroße
Schlußlichtviertel (gut, es ist nicht ein Viertel, es sind zwei
Fünftel, aber "Schlußlichtviertel" klingt einfach besser als
"Schlußlichtzweifünftel", hat außerdem einen
geringfügig pejorativ auffaßbaren Anklang an
"Rotlichtviertel" und wird darum an dieser Stelle der historischen
Wahrhaftigkeit vorgezogen), da es ja scheinbar immerhin gelang, ein
paar Prozente vom mediokren ins superbe zu lupfen, oder ob ich nochmal
alles umkrempeln soll, in der Hoffnung, einem größeren Teil
der armen Wesen, die infolge mangelnder Abwehrkräfte gegen die
Unbilden (sic!) des miserablen bundesdeutschen Schulsystems von diesem
zu abiturierten Krippenkindern zurechtentfremdet wurden, wenigstens
einen kleinen Silberstreif in die Düsternis ihrer multimedial
mißbrauchten Hirnchen klecksen zu können?
Und komm ich dann ins Fernsehen?
Fragen über Fragen!