[2002]



Damit Du Dich in Deinem kafkaesken Internet-Dasein nicht so allein und trostlos fühlst, will ich Dir immerhin mitteilen, daß auch das sogenannte richtig wirklich und eigentlich "reale" Leben in Europa Skurrilitäten und Unerquicklichkeiten für seine Opfer bereithält, gern auch mal in Kombination.  ... mir ist zum Beispiel ein Teil meiner CD-Sammlung ertrunken.
Im Automobil!
In der Garage!
Nachdem ich neulich (na gut, es war kurz vor'm Wintereinbruch) eines  Freitagabends aus Greifswald von einem Filmfest nebst Party zurückkehrte (Oh, wäre ich bloß den Einladungen der  Veranstalter, doch noch zum Frühstück zu bleiben, gefolgt!) fand ich, ich sollte das treue Gefährt, das mich dorthin und auch wohlbehalten zurückgebracht hatte, entgegen meinen Gewohnheiten lieber in die Garage stellen, weil's ja draußen schon manchmal fror und da drin stünde es schließlich warm&trocken ... Am nächsten Morgen dann wollte ich vom benachbarten Bäcker ein paar Brötchen zum Frühstück holen - noch vor dem Morgenkaffee, also eigentlich gar nicht wach.

Das ist ja schließlich auch eine der Tätigkeiten, die getrost das Rückenmark übernehmen kann, während das Großhirn gaaanz langsam bootet ... umso größer das Erstaunen, wenn ein so simpler und vollmechanisierter Ablauf plötzlich&unerwartet nicht funktioniert - weil ich keinen Schritt vor die Tür setzen konnte, ohne in einen etwa halbmetertiefen See zu fallen, der sich aus in jenem Moment für mich noch nicht klar ersichtlichen Gründen dort eingefunden hatte und nun herumlag, als müsse das so sein.

"Fehlen nur noch ein paar Enten auf'm Teich, damits so richtig kitschig wird", war so ziemlich das erste, was mir dazu einfiel. Allerdings waren die Enten wohl anderswo beschäftigt oder hatten jedenfalls keine Zeit, vor meiner Haustür kitschig herumzuschwimmen. Stattdessen traten Nachbarn herzu und wollten wissen, ob mein Auto in der (gegenüber der Straße immerhin nochmal einen halben Meter abgesenkten) Garage stünde ... Außerdem rüttelte nun mein verdutztes Rückenmark an der Großhirnrinde herum, quengelte und wollte wissen, was zu tun sei - woraufhin die Chefetage befand, daß ein Hungerstreik meinerseits die Sintflut vermutlich nicht aufhalten würde, somit die Brötchenbeschaffung weiterhin höchste Priorität genieße und lediglich ein Umweg über den Hinterhof und diverse Zäune zu nehmen sei.


Im Ergebnis waren dann die Brötchen lecker, das Auto ein melancholisch aufgeladener Schrotthaufen und eine ganze Reihe CD's unbrauchbar ... ach ja, das war's eigentlich, weswegen ich darauf gekommen bin, die Geschichte zu erzählen  ... verantwortlich gewesen ist dafür übrigens ein Eurawasser-Rohrbruch, der es immerhin bis in die lokalen Schlagzeilen brachte, weil ihm auch eine Straßenbahn zum Opfer fiel, deren Schienen unterspült worden waren.

Wollen wir daraus lernen, daß Popularität eher durch sehr destruktive Betätigung als durch innere Einkehr und Friedfertigkeit zu erzielen ist?

Nein, von WOLLEN kann keine Rede sein, aber ... es ist ja nicht das einzige Beispiel: ein paar mutmaßliche Muselmänner machen symbolträchtige Wolkenkratzer kaputt und kommen in so ziemlich jedes Fernsehen der Welt, RTL zerstört die geschmacklichen Entwicklungsmöglichkeiten heranwachsender Generationen vorsätzlich und nachhaltig mittels in nahezu jeder ästhetischen Hinsicht völlig insuffizienter Überaffirmationsopferverbände, die so zumindest zeitweise relativ bekannt werden, eine Armee verwüstet Vietnam und wird fortan als der eigentliche Garant von Freiheitunddemokratieundmenschenrechten gepriesen, Erwerbsarbeit zermürbt die Empfindungsfähigkeit der Menschen und wird dafür regelmäßig zur Kundesbanzler-Chefsache erklärt ... -

Und ein freundlicher mitteleuropäischer Internetseitenleser wie Du, der vielleicht manchmal romantische Liedchen pfeift, bedürftigen Abiturienten die Wonnen deutscher Dichtung nahebringt und immer mal wieder nach alten Freunden fragt?
Wird der vielleicht zur Chefsache erklärt? Zum Garanten für Freiheit oder wenigstens schöne Gartenmöbel?
Zum Popstar?
Wahrscheinlich kommt er noch nichtmal ins Fernsehen ... nein, er wäre ja selbst einem an solchen Menschen durchaus interessierten Unwesen wie mir kaum je bekannt geworden, hätte er die Sache nicht selbst in die Hand genommen und eine behaglich formulierte Elektropost an mich versandt! Genau das wird er aber tun - und daran sehen wir, daß die Weltgeschichte, die alte Zicke, manchmal auch eine erfreuliche Wendung bereithält :-)

Weitere Meldungen: Weihnachten, Neujahr, der übliche entsetzliche Trubel, im letzten Semester hab ich meine Übungskonzeption für die Maschinenbaustudenten komplett umgestellt - in der Hoffnung, so den Prozentsatz der Sitzenbleiber von bislang ca. 50 Prozent ein bißchen senken zu können: Fehlanzeige! Die Quote blieb exakt auf dem Niveau der Vorjahre (auch vor meiner Anwesenheit am FBI, sonst käme ich ernstlich ins Grübeln), doch war - anders als je zuvor - eine sehr drastische Aufspaltung der Häschenherde in eine vergleichsweise große Gruppe frohgemuter Führungshäschen mit bombastischen Punktzahlen, eine ebenso große Gruppe nahezu völlig blinder Hühner (Über die Umwandlung vom Häschen zum Huhn oder zur Schnepfe könnte vielleicht mal ein "Echt Bio"-Biologe promovieren!) und ein eher schmales Mittelfeld zu verzeichnen. Und nun frage ich mich, ob ich das toll oder wenigstens besser finden soll als zuvor das breite Mittelfeld, die schmale Avantgarde und das etwa gleichgroße Schlußlichtviertel (gut, es ist nicht ein Viertel, es sind zwei Fünftel, aber "Schlußlichtviertel" klingt einfach besser als "Schlußlichtzweifünftel", hat außerdem einen geringfügig pejorativ auffaßbaren Anklang an "Rotlichtviertel" und wird darum an dieser Stelle der historischen Wahrhaftigkeit vorgezogen), da es ja scheinbar immerhin gelang, ein paar Prozente vom mediokren ins superbe zu lupfen, oder ob ich nochmal alles umkrempeln soll, in der Hoffnung, einem größeren Teil der armen Wesen, die infolge mangelnder Abwehrkräfte gegen die Unbilden (sic!) des miserablen bundesdeutschen Schulsystems von diesem zu abiturierten Krippenkindern zurechtentfremdet wurden, wenigstens einen kleinen Silberstreif  in die Düsternis ihrer multimedial mißbrauchten Hirnchen klecksen zu können?
Und komm ich dann ins Fernsehen?
Fragen über Fragen!