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live report
 

In der Magengegend war es dem Redakteur noch etwas flau,doch ansonsten, stellte er säuerlich erfreut fest, hatte er nichtviel abbekommen. Lohnte es sich, darüber nachzudenken, woran es gelegenhatte? War es am Ende die Farbe seiner Schnürsenkel?
 Er war in die U-Bahn gestiegen, obwohl er nur dreiStationen zu fahren hatte; solche Strecken pflegte er sonst füßlingszu bewältigen, aber weil die BVG schon wieder die Preise erhöhthatte und er noch die 24-Stunden-Karte von gestern in der Jackentaschewußte, die noch 11 Minuten gelten würde, hatte er befunden,daß er für die vielen Taler auch möglichst viel Dienstleistungbeanspruchen müsse. Mit ihm waren fünf martialisch ausstaffierteHalbwüchsige jener Sorte in das Abteil gestiegen, der von Schönhubernund Schönrednern, die der Redakteur auch nicht leiden konnte, immerwieder wahlweise ein “gesunder nationaler Kern” oder eine schwere Kindheitnebst akuter Sinnkrise auf der Suche nach dem Lebensglück attestiertwurde wie ein mildernder Umstand. Letzteres dient dem psychologisch voreingebildetenBravbürger als Nahrung für sein selbstzufriedenes Mitgefühl,aus dem wiederum die verständnisvolle Untätigkeit erwächst,die den Erhalt der Bequemlichkeit wie des Terrors gestattet, also in jederHinsicht befriedigt.
 Das oder ähnliches war dem Redakteur auchdiesmal kurz eingekommen, als er der Meute gewahr geworden. Auch hatteer in sich hineingehorcht und  bemerkt, daß er für jenedort ein Mitleid höchstens wegen ihrer aufgedunsenen Gesichter mitden kleinen Augen, hinter denen es sichtlich nicht arbeitete, empfindenkonnte - freilich nicht sehr heftig.
 War das der Fehler gewesen? Sich in deren Gegenwarteinen Gedanken zu leisten? Spürten die das? Während der Redakteurnämlich noch wie immer auf seine Lederjackenmimikry vertraut hatte,waren die überaus unholden Jünglinge zielstrebig auf ihn zumarschiert,hatten ihm eine ihrer uralten Parolen grinsend ins Gesicht gebrülltund tobend Antwort erheischt. So weit ginge die Mimikry denn doch nicht,hatte der Redakteur gerade beschlossen, als er auch schon die Folgen mangelndenAnpassungswillens verschmerzen mußte. Der Tritt in den Leib hatteihm beinahe das Bewußtsein gelöscht, trotzdem konnte er nochden Arm zwischen sich und das Messer bringen, vom Jackenleder wurde dasÄrgste abgefangen. Dann hatte er Glück gehabt: die Schlägerentdeckten den Vietnamesen, der drei Meter entfernt bereits ängstlichauf seinem Platz kauerte. Nachdem sie vom Redakteur abgelassen hatten,blieb er am Boden hocken und rang nach Luft. Währenddessen sah erauf der Titelseite einer Zeitung, die der schräg gegenüber regungslosSitzende sich vors Gesicht hielt, Bilder vom Bürgerkrieg der Serben,Kroaten,... oder der Fuchs mochte wissen, wer sich da alles schlug.-


"Mein Name ist Hase!!!"

Nun ging er also mit einer leichten Übelkeit an einerlebhaft befahrenen Berliner Straße entlang. Es war ein strahlenderWintertag; wenn das Bild nicht so abgegriffen wäre, dachte er, könnteman ehrlichen Herzens sagen, die Sonne lachte. Den Riß im Jackenärmelwürde er mit einem Flicken tapezieren müssen, aber dringlicherwar es vorderhand, seinem Auftrag nachzukommen: einen Report vom “Sinnunseres Lebens” sollte er liefern, irgendwoher kannte er das. Ausgerechnetihm sowas zuzumuten! Am liebsten hätte er seinen relativ gut bezahltenJob gekündigt und eine eigene Zeitung herausgegeben; er liebte seinenBeruf, aber damit hätte er wohl keine Chance...
 Vor dem High-Tech-Laden an der Ecke, wo die Ampelihn aufhielt, stand ein Obdachloser und weinte. Unwillkürlich folgteder Redakteur dem Blick der anderen 'marginalen Existenz' und sah in einemhochauflösenden Farbmonitor ein dunkelhäutiges Kind verhungern,das nicht mehr weinte. Darunter stand, daß die LCD-Technologie dieWelt verändern werde. Der gewiß durstige Wohnsitzlose plärrtenoch immer. 'Heuchler', dachte der Redakteur und überquerte die Straße.
 Auf der anderen Seite lauschte er dem letzten Worthinterher und fragte sich, wen er gemeint hatte. Vermutlich alle. Sichselbst natürlich auch. Das wär'doch was für den blödenArtikel, fiel ihm ein, doch dann ging ihm natürlich auf, daßer für die Verbreitung von Trübsal und Bitternis nicht bezahltwerde. Also doch lieber ein Schulsportfest. Das andere haben sowieso schonHeerscharen von eitlen Federfuchsern ausführlich beschrieben. 'Umso besser eigentlich, brauch ich nur abzumalen.-Sträubt sich dir dochauch die Feder; dann lieber 'ne Kneipe glorifizieren.', sagte er sich undbewunderte trotzdem noch schnell die ausgebuffte Cleverness all der beamtetenSeinsgelehrten, die es schafften, dem Rest der Welt die Notwendigkeit undBedeutung gerade ihres gesammelten Hirnschmalzes einzureden, währender selbst schon Mühe hatte, seiner Zeitung einen Artikel überdrei Spalten aufzuschwatzen. 'Das sind doch die übelsten Heuchler',entschied er noch, 'vielleicht nicht mal vor der Welt, aber vor sich. Nagut.'
 Indessen war er in eine Seitenstraße eingebogen,vermutlich in die falsche, denn in der richtigen gab es seines Wissenskeine Kneipe. Hier gab es eine. Die Überlegung, ob er darin rekonvaleszieren,oder weitersuchen sollte, erübrige sich, meinte er und trat ein. Ergelangte in einen winzigen, dunklen Vorraum, in den sicher eine Drehtürgehört hätte, und mußte nun noch eine Klinke drücken,ehe er in das dämmrige Lokal trat.

 Direkt links neben der Pforte stand ein einsamerTisch für zwei, höchstens drei Personen auf der Höhe deseben überwundenen Handtuchvestibüls. Nach vorn konnte man ineiner schmalen Gasse zwischen den acht Tischen, die, vier an jeder Seite,an den Wänden des schlauchartigen Ganges zu haften schienen, bis zueiner deutlich abgesetzten Stufe laufen. Ab dort wurde der Raum dunkelund qualmig, die Wahrnehmung nebelhaft. Immerhin konnte der Redakteur erkennen,daß die rechte Tischreihe dort oben durch eine ausladende Bar ersetztwar, die linke aber, mit kleineren Tischen zwar, noch drei Stationen weiterführte.Danach nochmals eine Erhebung, diesmal nur über mehrere Stufen zuerklimmen, welche zwei größeren Tischen Platz bot.
 All dies hätte den Redakteur nicht sehr beeindruckt,auch nicht die überall schneeweißen, nur dezent gemustertenTischdecken, die grünsamtenen Bezüge auf den Holzstühlenoder die blitzenden metallischen Armaturen an der gut bestückten Theke.Doch hatte er das ebenso klare wie verwirrende Empfinden, daß dasmulmige Gefühl im Bauch hier drinnen ein anderes war, als gerade nochdraußen. Weil ihm unmittelbar nach dieser Feststellung auch die Erleuchtungkam, woran das lag, war er erleichtert und lachte in sich hinein: Na klar,die hier saßen, die kannte er alle.

Gleich neben ihm, an dem vereinzelten Tischchen hinterdem Türvorsprung, das waren Seneca und Feuerbach, die ihn anblinzelten.Der altersschwache, wohl auch etwas kurzsichtige Seneca versuchte ein gewinnendesLächeln, während er krächzte: ”Niemals wirst du glücklichsein, wenn es dich unglücklich macht,... wenn es dich unglücklichmacht...” Weiter kam er nicht, denn da wurde er in seiner wichtigen Untersuchungvom höhnenden Nietzsche unterbrochen, der vom letzten Tisch links,neben der ersten Stufe, herüberrief: ”Ihre Art, Glück zu heucheln,hat mitunter etwas Ergreifendes, weil ihr Glück so ganz unbegreiflichist!” Der Redakteur seufzte vernehmlich, denn dergleichen hatte er nun,weiß Gott, satt. Jeder der beiden Weisen bezog den Laut jedoch aufden anderen und jeder der beiden war's zufrieden. “Jaja, ich weiß”,sagte der mürrisch dreinstarrende Wirt hinter der Theke, aber derRedakteur beachtete den stämmigen Alten nicht weiter, sondern ließsein Auge über die zur Rechten versammelten Geister wandern. Da hatteer Dante, Nehru und Cyprian beim Bier, vertieft in drei völlig verschiedeneSchweigen, wie am Nebentisch Schopenhauer mit Pascal und Whitman beim Wein.Er ging an ihnen vorüber, auch an den benachbarten Platon, Ockhamund Friedrich II, in den hinteren Teil des Raumes, von wo er sich nacheinem freien Platz umsah, fand jedoch alles besetzt. Nur ganz am Ende,an einem der großen Tische auf der Erhebung, saßen zwei allein:Aristoteles, der auf Alexander, den Mazedonier einredete. So sehr es denRedakteur auch reizte, den Alexander, ausgesprochen jung noch, näherkennenzulernen, vielleicht mit ihm von hier fortzugehen - dem Aristotelesmochte er nicht begegnen. Auch Alexander schien dem Alten mit dem fahlenMund nicht sonderlich geneigt; von Zeit zu Zeit wurde er ungeduldig, unterbrachmit kraftvoller Gebärde den ihn offenbar langweilenden Redeflußdes welken Griechen. Manchmal gar wurde sein abwesender, warmer Blick,den der Redakteur freilich nur undeutlich von der Seite auffing, sehr hart,dabei verschleiert: dann zuckte der angestrengt plappernde Greis wie ertapptzusammen.-

 Der Redakteur, der nicht mehr so genau weiß,wie lange er schon zwischen Bar und Tischen herumsteht, zögert. Soller letztlich doch in die Nähe des erregt gestikulierenden alten Scharlatansrücken, bloß weil sonst nichts frei scheint? Da erhebt sichhinter ihm, durch eine Qualmwolke aus dem Munde Adornos verdeckt, jemand,den der Redakteur vorher nicht angesehen hatte, weil er gerade in den AnblickAlexanders mit Aristoteles versunken war. Der andere verläßtdie Bar, geht geschwinden Schrittes, und ohne daß der Redakteur seinGesicht erkennen könnte, in Richtung Aristoteles, tritt neben diesemin eine Tür, die wohl zur Toilette führt, und verschwindet.
  In einer Mischung aus Resignation, oder doch besserDankbarkeit und Selbstbewußtsein, nimmt der Redakteur auf dem freigewordenenBarhocker Platz, rechts neben sich den Adorno, der merkwürdigerweiseeine drollige Knollennase im Gesicht trägt, die so gar nicht zum Restseiner Patriziergestalt paßt. Ziemlich gräßlich siehtdas aus, findet der Redakteur. Adorno, als läse er Gedanken, hältseine Rübe hoch und verkündet gespreizt: ”Es ist keine Schönheitund kein Trost mehr, außer in dem Blick, der auf's Grauen geht!”Der Redakteur weiß nun wieder, warum er Leute nicht mag, die sichPhilosophen nennen, und bestellt einen Tomatensaft beim Kneiper, der ihnschon länger erwartungsvoll ansieht. Als der nun aber keine Anstaltenmacht, das Getränk einzuschenken, wird der Redakteur unter dem andauerndensaugenden Blick unruhig. Schließlich wendet sich der komische Alteenttäuscht ab und der links vom Redakteur sitzende Kant stupst ihnin die Seite: ”Du hättest ihn erkennen sollen, es ist Gott.”
 Von irgendwo dröhnt heiter Sokrates: ”Staunenist der Anfang der Philosophie!”, worauf der Redakteur zu husten beginnt,um eine erstaunte Äußerung zu verschlucken. Er findet in dem- wie er inzwischen sieht - garstig zankendden Volk nun auch noch die durchausunsinnlich sinnenden Häupter von Hegel, Homer, Jaspers, Epikur,...
 Sowie er seinen Saft erhält, fragt er denWirt: ”Magst du die?” - “Sie lassen alle anschreiben, leben alle auf meineKosten, aber was soll ich machen, sonst kommt fast keiner...” - “Ich kannsie nicht leiden”, erwidert der Redakteur und draußen fallen jetztBomben; guckt man aus dem schmutzigen Fenster neben der Eingangstür,sieht es aus wie auf der Titelseite in der U-Bahn.
 “Da draußen sterben sie jetzt...”, murmelttraurig der Redakteur.

 “Sollen sie, sollen sie doch!”, schrillt daraufHeidegger, der es gehört hat, “Der Tod als Ende des Daseins ist dieeigenste Möglichkeit der Existenz! Hat die Kanaille dort eigentlichgar nicht verdient! So ist das, ich weiß es genau!” Die Stimme überschlägtsich, der Redakteur denkt wieder an seine Übelkeit. Seneca versetztspitz aus seiner Ecke: ”Ach, wie leicht doch die Verführung des Schönredensvom Wahrreden wegführt!” Marx schweigt verbissen in seinen Bart hinein.
 'Warum gibt es hier keine Frau?', denkt der Redakteur,'Vielleichtwürden sie sich dann nicht so aufführen.' Plötzlich stelltsich heraus, das es hinter der Theke eine Tür gibt. Sie geht auf,Marilyn Monroe kommt herein. Der Redakteur stutzt. 'Nein, so geht das nunauch nicht!', sagt er sich dann. Die Monroe, sonst scheinbar von niemandembeachtet, lächelt betrübt und deklamiert mit geschlossenen Augen,lautstark und leiernd: ”Zur Liebe, wie auch zur Freundschaft, gehörtimmer auch die Bereitschaft zur Selbstaufgabe, ebenso wie die Gewißheit,daß der andere das niemals fordern würde.” Nach einem tränenfeuchtenBlick auf den Redakteur, der in sein Glas schaut, kehrt sie zurückin die Wand und hinter ihr schlägt sofort die Tür zu. An einemder Tische neben der Bar hebt ein Dalai Lama sacht zu sprechen an: “EinTeil des Problems ist sicherlich...” - “Kein steinern Bollwerk kann derLiebe wehren; und Liebe wagt, was irgend Liebe kann!”, fällt ihm Shakespeareins Wort. “Ein Teil des Problems ist sicherlich...” - “Ein schönesWeib ist wie eine Axt im Leben”, mokiert sich Konfuzius. Der Dalai Lamaschüttelt milde den Kopf und versucht es mit: ”Ich habe die Erfahrunggemacht...”, als ihn Spinoza unterbricht. “Alles Erhabene ist ebenso schwierigwie selten!”, ruft er triumphierend, wobei er einen Handstand auf seinemwackeligen, einbeinigen Tischchen probiert. Im Fallen streift er Laplace,der dämonisch zu heulen beginnt. Whitman, der seinen Bart mit FriedrichII. Zopf verknotet, gibt schelmisch zu wissen: ”Wir sind Psychopathen indem Maße, wie unsere Handlungen absehbar sind.”  Voltaire, nervöszwinkernd, weil der junge Erasmus obszöne Gesten vollführt, meintmit einem Seitenblick auf die Kreditkarte des Redakteurs, die diesem ausder Hosentasche lugt: ”Das Überflüssige ist ein höchst notwendigesDing...” Da hält es Ockham nicht länger, brüllend stürzter hervor und beginnt, den Wirt zu rasieren. Es verbreitet sich betretenesSchweigen, dessen Vorläufigkeit nur allzu absehbar ist.-

 Dem Redakteur wird nun endgültig schlecht under geht aufs Klo, um sich umzubringen. Unterwegs fällt ihm noch ein,daß vorhin schon jemand dorthin gegangen war, ähnlichen Schrittes,wie jetzt er.
 Auf dem Klo steht Rio Reiser vorm Spiegel, er hälteinen großkalibrigen Revolver auf seine Brust gedrückt; derRedakteur, noch den Türgriff in der Hand, sieht ihn an, Rios Augenzeigen denselben trüben Blick wie bei der Komiteegründung. Jetztgehen sie unnatürlich weit auf, etwas wie ein Leuchten wird darinsichtbar, aber es ist wohl nur der Schreck über das unerwartete Eindringendes Redakteurs. Der Redakteur öffnet den Mund, Rios Lippen, die nochso rot sind wie früher, formen ein verletztes, abwehrendes Lächeln:natürlich, wie konnte er annehmen, die Plappermumien würden ihnwenigstens zum Schluß in Ruhe lassen... Aber der Redakteur sagt nichts,sondern nimmt wortlos eine kleine blaue Kapsel aus dem Mund, die unterseiner Zunge gelegen hatte; er wirft sie achtlos auf die Fliesen und kurzdarauf verröchelt eine sehr weise Ratte. Dann geht er auf Rio zu,der noch immer die Revolvermündung am Herzen trägt, und schiebtsich zwischen ihn und das Waschbecken - so, daß sie beide in diegleiche Richtung sehen: in den Spiegel. Schweigend hat er Rios Arm mitder Waffe zur Seite gebogen, um diese Position zu erreichen; jetzt spürter an den Schenkeln das Waschbecken drücken und direkt hinter seinemeigenen Rios Herzschlag; und er zieht Rios Hand mit dem Tod wieder in ihreursprüngliche Lage, das heißt, jetzt auf seine, des RedakteursBrust. Er sieht wie prüfend in den Spiegel, denkt noch flugs etwasbanales, schließt dann die Augen, beginnt zu lächeln und zähltim stillen so schnell er kann bis siebenunddreißig.

 Als er die Augen wieder öffnet, sieht er imSpiegel langsam Rios Kopf nach vorn sinken, jetzt fühlt er ihn aufseiner Schulter; das kindliche Lächeln des Redakteurs ist wie eingefroren,es bleibt, aber die Augen werden trotzdem feucht; Rios Griff um den Revolverlockert sich, die schwere Waffe fällt in das Waschbecken, ein Schußbricht. Freud, der bis dahin unbemerkt auf einem Spülkasten gehockthatte, fällt entmannt herunter und kreischt. Der Lärm löstRio und den Redakteur aus ihrer Erstarrung, Rio schmiegt sein Gesicht füreinen Moment zärtlich an den Hals des Redakteurs und schiebt ihn dannsanft, aber bestimmt beiseite, fort vom Waschbecken, aus dem er den Revolverherausholt und mit kraftvollen, viel zu heftigen Bewegungen entlädt.Die unheimlich großen Patronen ordnet er zu einem Fünfeck nebendem Wasserhahn, der daraufhin hektisch zu tropfen anfängt - ein Geräusch,das sich eindrucksvoll in jenen anderen Ton mischt: Freud, der noch leisewimmert.

 Die Patronen haben alle verschiedene Farben, weißfehlt, war vielleicht auch nie dabei. Rio und der Redakteur sehen sichnachdenklich an und schauen dann auf die Patronen, bis endlich der Redakteurdie rote herausgreift und sie Rio reicht. Rio steckt die Patrone in dieTrommel und dreht sie in den Lauf. Der Redakteur öffnet die Türzum Lokal, beide, Rio und der Redakteur, verlassen den Abort. Der Redakteurgeht zur Bar, schaut auf ein halbleeres Martiniglas, das zufälligvor ihm steht, umfaßt es spielerisch mit der Linken und klopft damitauf den Thresen, wodurch er im Glas eine rotfunkelnde Sturmflut entfacht.Dann sieht er auf und findet Rios prüfenden und wartenden Blick aufsich gerichtet. Der Redakteur winkt dem Wirt. Als dieser herankommt undeine fragende oder ablehnende Grimasse schneidet, drückt ihm Rio denRevolver in die Hand. Der Wirt erbleicht, Rio und der Redakteur verlassendas Lokal. Sie verabschieden sich draußen schweigend.
 Der Schuß bricht, als sich ihre Händelösen. -

= marvinius.de, irgendwann im Sommer 1992 =